Edward Limonow «Wolkenkratzer Art Journal»

Edward Limonow

«Wolkenkratzer Art Journal»

1986–1987

limonka

Edward Limonow: Ein Russe in Paris

Interview von Isabelle Graw

Puschkin, Tolstoj, Dostojewski, zu den bekannten Namen russischer Dichtergrößen ist ein neuer hinzugekommen: Edward Limonow. In Frankreich schon ein gefeierter Star, ist er auf dem deutschen Buchmarkt bisher nur mit einer Publikation vertreten, seinem autobiografischen Roman «Fuck off, Amerika».

Im «Village Voice», einem amerikanischen Cafe in Paris, traf ich ihn zum ersten Mal. Drei Schriftsteller lasen an diesem Abend ihre Texte: der todlangweilige Modephilosoph Bernard Henri Levy, den man gleich wieder vergessen kann, Kathy Acker und Edward Limonow. Limonow gefiel mir am besten.

Sein Leben, so erzählt er, sei die Aneinanderreihung aller miesen Episoden von Dostojewski, und wenn man ihm eine Weile zugehört hat, kann man ihm da nur zustimmen. Limonow, 1944 in der Nähe von Gorki geboren, verbrachte seine Jugend in Charkow, wo er, Edy-Baby genannt, zu einer der vielen Gangs gehörte, die untereinander Bandenkriege ausfochten, auf dem Schwarzmarkt Geschäfte machten und davon träumten, Motorrad zu fahren. Limonow schrieb nebenbei noch Verse und entschloß sich, ein berühmter «Untergrundpoet» zu werden. 1967 hatte er es geschafft. In Moskau verkehrt er in Diplomatenkreisen, mit Künstlern und Intellektuellen, er lebt ganz gut vom illegalen Verkauf seiner Manuskripte und vom Hosennähen. Doch Moskau wird ihm zu provinziell. Als er dann noch Ärger mit dem KGB bekommt, er soll spionieren, hat aber keine Lust dazu, emigriert er mit seiner Frau, der schönen Helena, 1976 nach New York. Sechs Jahre schlägt er sich als Tellerwäscher, Dienstbote und Wohlfahrtsempfänger durch, seine Frau verläßt ihn und sein Roman «Fuck off, Amerika» wird 35mal abgelehnt. Erst 1980 wird das Buch in Paris publiziert und ist sofort ein Erfolg. Es folgen »Journal d'un rate» (Tagebuch eines Versagers), «Histoire d'un servant» (Geschichte eines Dieners), «Salade niçoise» und «Portrait d'un bandit dans son adolescence» (Portrait eines jugendlichen Kriminellen).

1985 etablierte er sich dann endgültig als angesehener, bekannter Schriftsteller. In «Actuel» wurde er mit einem dreiseitigen Interview gefeiert und «Elle» wählte ihn zum besten Schriftsteller des Jahres.

— Nachdem Sie «Fuck off, Amerika» geschrieben haben, wurden Sie oft mit Henry Miller und mit Charles Bukowski verglichen.

— Ich meine, man kann Schriftsteller nicht miteinander vergleichen.

— Das finde ich auch. Außerdem ist Bukowskis «vulgärer Stil» kalkuliert, er will schockieren. Sie dagegen beschreiben die Dinge so, wie Sie sie empfinden. Ihre «Vulgarität» wirkt weniger aufgesetzt als selbstverständlich.

— Vielleicht werde ich mit 66, so alt ist Bukowski, auch so schreiben. Alles ist möglich!

— Die Sprache Ihrer Bücher ist sehr direkt. Nichts scheint unausgesprochen zu bleiben, jede auch noch so versteckte Nische des Unbewußten wird erforscht. Nirgends eine Spur von Autozensur — ich finde Sie immer so erschreckend ehrlich.

— Erst am Ende eines jeden Buches realisiere ich, daß ich derjenige bin, über den ich da schreibe. Eine gewisse Distanz ist schon vorhanden — sie muß vorhanden sein.

— Könnte «Fuck off, Amerika» auch eine Biographie von Charles Manson sein?

— Sicher. Charles Manson war nicht einfach nur ein Verbrecher. Es steckte mehr dahinter, er war ein sehr komplizierter Mann. Seine Verbrechen waren die Konsequenz einer jahrelangen Versagerexistenz. Ich hätte auch kriminell werden können, aber der Wille zu gewinnen ist stärker. Ich wurde also nicht kriminell, beging keinen Selbstmord und brachte auch sonst niemanden um.

— Sie waren in Ihrer Jugend Bandenführer in einem Vorort von Charkow, dann wurden Sie «Intellektueller» in Moskau, später wechselten sie zu Tellerwäscher und Dienstbote in New York. Wie kam es zu diesem wechselvollen Leben?

— Ich wuchs in einem Arbeitsvorort bei Charkow auf. Diese Umgebung hat mich natürlich geprägt, obwohl meine Eltern eher kultivierte Leute waren. Mit 15 verließ ich die Schule und mein Elternhaus, um mit meinen Freunden in einer Holzhütte zu leben oder mich mit meinen stets wechselnden Freundinnen zu treffen. Das ging so lange, bis ich meine erste Frau kennenlernte. Sie war älter als ich, sehr schön und vergeistigt und arbeitete in einem Buchladen, dem Treffpunkt der «Charkower Künstlerszene». Ich verliebte mich, mehr in meine Vorstellung von ihr als in die Frau, schrieb Gedichte, las viel und bildete mich. Die Schule war nichts für mich, ich bin ein freier Geist…

— Sie versuchten aber, Versäumtes nachzuholen?

— Nein, ich wollte mitreden können. Dieser Intellektuellenzirkel hatte mich eingeschüchtert, ich wußte nichts zu sagen, trank dafür sehr viel, wie immer wenn ich verlegen bin, ich mußte etwas ändern.

— Wovon lebten Sie damals?

— Ich nähte Kleider, hauptsächlich Hosen, ich kann das übrigens heute noch, aber hier in Paris ist das wohl nicht angebracht. Anna und ich, so hieß meine Frau, beschlossen, gemeinsam nach Moskau zu ziehen. Dort wurde Anna dann sehr krank, geisteskrank. Sie war zwar immer schon etwas merkwürdig gewesen, wobei mir merkwürdig lieber ist als langweilig, aber diesmal war es schlimmer. Sie konnte mir gegenübersitzen, mich anstarren und dann behaupten, ich wolle sie umbringen. Das machte mir Angst. Als sich ihr Zustand nicht besserte, zog sie zu ihrer Mutter und ich verliebte mich in eine andere Frau: Helena. Sie war sehr jung und vor allem sehr schön.

— Mit Helena verließen Sie dann die UdSSR. Und nun stelle ich Ihnen die Frage, die Ihnen bestimmt schon zum Hals heraushängt: wie kam es dazu?

— Ich kannte viele Leute, hatte gute Beziehungen und verkehrte in diplomatischen Kreisen. Eines Tages kamen drei Leute vom KGB zu mir, die mich zur Mitarbeit bewegen sollten. Ich weigerte mich, wies darauf hin, daß unser Familiensoll erfüllt sei, mein Vater war über 28 Jahre Begleiter von Gefangenentransporten gewesen, hatte also für das Innenministerium gearbeitet. Ich wollte jedenfalls nicht für sie spionieren. Da ich illegal in Moskau lebte, eine strafbare Handlung in der Sowjetunion, versprach ich, Moskau binnen 24 Stunden zu verlassen, was ich natürlich nicht tat. Später bot man mir ein Israelvisum an, zu dieser Zeit war der Staat daran interessiert, störende Elemente loszuwerden, und ich nahm die Gelegenheit wahr und reiste aus. Wissen Sie, es ist egal, in welchem politischen System man lebt, es ist immer gut, ein Freund des Diktators zu sein, ich war aber kein Freund des Diktators.

— Sie behaupten immer wieder, man müsse entweder besonders dumm oder kriminell sein, um in der Sowjetunion in ein Lager zu kommen, meinen Sie das eigentlich ernst?

— Jede Gesellschaft hat nun einmal ihre Normen, die ich im Falle der UdSSR natürlich auch nicht mag. Deshalb müßten die Dissidenten, wenn sie wirklich etwas für die Demokratisierung der Sowjetunion tun wollten, diese «realistischen Normen» akzeptieren. Sacharow und Solchenizyn haben sich stattdessen schrittweise in extreme Positionen begeben und sich so zu Feinden des Systems gemacht. Dissidenten beschreiben ihre Vergangenheit immer als etwas besonders Schreckliches. Sie übertreiben maßlos, um im Westen gut aufgenommen zu werden und behaupten, so gelitten zu haben… Es stimmt, daß einige von ihnen im Gefängnis oder im Lager waren, andere, vor allen Dingen die Dissidenten der siebziger Jahre, haben ein Gefängnis noch nie aus der Ferne gesehen!

— Wie fühlten Sie sich, als Sie in den USA ankamen und plötzlich niemand mehr waren, kein Mensch interessierte sich für Ihre Poesie, Ihre Frau verließ Sie … War im Vergleich dazu Ihr Leben in Rußland nicht viel besser gewesen? Sie tranken Krimsekt, waren von schönen Frauen umgeben, ein gefeierter Dichter?

— Natürlich war ich deprimiert. Das ist doch ganz normal. Ich kam schließlich in eine neue Gesellschaft, in der niemand mich kannte: Hinzu kam, daß ich weder Englisch verstand noch ein berühmter Dissident war. Ich mußte also kämpfen, vielleicht mehr als in jeder anderen Gesellschaft. Aber das war nicht so schlimm. Viel schlimmer war die Enttäuschung über Amerika! Ich hatte in Rußland so viel über Amerika gehört und gelesen und mußte nun feststellen, daß alles eine große Lüge war, nichts als Propaganda. Denn die amerikanische Gesellschaft ist in Wirklichkeit alles andere als paradiesisch.

— Warum bleiben Sie dann im Westen, warum gehen Sie nicht nach Rußland zurück? Ihrer Meinung nach ist doch jedes System auf seine Weise freiheitsberaubend, was hält Sie hier noch?

— Ganz einfach, hier werden meine Bücher veröffentlicht. Ansonsten sehe ich keinen großen Unterschied in den Systemen. Wir in Rußland haben eine andere Freiheit, außerdem kennen wir die Tradition der «offenen Rede» nicht. Bei uns werden Entscheidungen intern getroffen und später halten wir die großen Reden. In Amerika dagegen wird alles sofort an die Öffentlichkeit gebracht.

— Sind das Mentalitätsunterschiede?

— Da bin ich absolut sicher. Der Westen ist narzißtisch und will seine Werte und Maßstäbe auf Rußland übertragen. Nur kann man einen Verhaltenskodex nicht exportieren. Von Saudiarabien würde niemand verlangen, sich wie ein westliches Land zu benehmen, und die Sowjetunion liegt zwischen China und dem Iran, das sollte man nicht vergessen. Das Leben im Westen ist zudem so langweilig, warum sollte es auf der ganzen Welt so sein?

— Nach drei Ehen, unzähligen Affären und «one night stands» frage ich mich natürlich, ob Sie, was Beziehungen betrifft, endgültig zum Zyniker geworden sind.

— Eine Frau ist eine Frau! Ich danke Gott für jede neue Erfahrung und bin glücklich, 1976 überlebt zu haben, das Jahr, in dem Helena mich verlassen hat. Es war im nachhinein betrachtet eine schöne Zeit. Ich bin weiser geworden, ich glaube nicht mehr an die «ewige Liebe». Ich glaube nur an mich.

— Eines Ihrer Lieblingsthemen ist die «endgültige Zerstörung der Zivilisation», auf die Sie selber sehnlichst warten, wie Sie sagen. Ist das nicht eine altmodisch-revolutionäre Haltung?

— Diese Gesellschaft, die westliche wie die östliche, fördert die Mittelmäßigkeit. Ich bin für den Helden, den «außergewöhnlichen Menschen», der gegen die Masse kämpfen muß. Dieser Kampf ist nicht gerecht, die Masse ist immer im Vorteil.

— Was soll dieser «außergewöhnliche Mensch» denn Ihrer Meinung nach machen? Soll er Revolutionär werden oder soll er den langen Marsch durch die Institutionen antreten?

— Ich bin weder Politiker noch Philosoph. Ich bin Schriftsteller und mir stehen nur die Mittel der Sprache zur Verfügung. Außerdem wollte ich noch nie eine Lösung finden. Für wen auch?

— Für Sie!

— Ich bin zwar Einzelkämpfer, aber ich habe überhaupt kein Bedürfnis, Märtyrer zu werden. Ich kann nur schreiben. Ich verlange nicht von der Gesellschaft, perfekt zu sein: Die perfekte Gesellschaft wäre ein Desaster!

«Wolkenkratzer Art Journal»
#2, April-Mai-Juni 1986

Andy Warhols 25 cents

Der russische Schriftsteller Edward Limonov und sein Emmigrantenfreund, der ebenfalls aus Kharkov stammt, sichten beim gemeinsamen New York Spaziergang Andy Warhol und helfen ihm mit Kleingeld aus. Anschließend verfallen sie in versponnenes Nachdenken über verpaßte Chancen, das schnöde Emmigrantendasein und vor allen Dingen »Andy Warhol Superstar«. Edward Limonov, Autor des Buches »Fuck off, America« wird im nächsten Heft seine Kurzgeschichte »Love, Love, Love« veröffentlichen.

Übersetzung von Hans Hütt

Wie eine Komikfigur mit mondhellem Haar ging er die Madison Avenue entlang, der lila Rucksack hing von seinen Schultern. Er sah aus wie Tintin auf Promenade. »Guck mal, schon wieder eine Andy-Warhol-Imitation«, sagte mein Freund. Wir kamen gerade von Uptown.

»Nein«, sagte ich, »er selbst ist es. Hunderprozentig — höchst persönlich. Ich habe ihn ein paar Mal auf Partys bei Glickermans gesehen.«

Tintin hielt an der Ecke der 63. Straße an, ging in eine Telefonzelle und nahm den Hörer ab. Er kramte in seinen Taschen nach einem 10-Cent-Stück. »Joseph Maria, er braucht zehn Cents. Jesus, Andy Warhol sucht nach zehn Cents! Soll ich's ihm geben? Ich habe zehn Cents da«, sagte mein Freund. Ich sagte: »Wenn du willst…«

Er ging zu Tintin rüber und klopfte ihm auf die Schulter. »Andy!« sagte er. »Hallo Andy! Ich hab zehn Cents.«

Ich hörte Andys Antwort nicht. Ich stand noch neben dem Briefkasten auf der anderen Seite der 63. Straße, der Novemberwind wehte von Uptown her. Ich sah aber, wie sie mit Kleingeld herumhantierten. Mein Freund kam wieder rüber mit einem idiotischen Lächeln.

»Hah!« sagte er. »Er hat mir ein 25-Cent-Stück gegeben.«

»Da kannst du aber stolz sein«, sagte ich. »Es ist nicht gerade leicht, an Andy Warhol etwas zu verdienen.«

»Ich hab nichts verdient… Ich hab ihm noch ein zweites 10-Cent-Stück gegeben, und noch 5 Cents dazu. Und er hat jeden Cent abgewartet.«

»Hast du ihm das angeboten, oder wollte er das?«

»Er wollte es«, sagte mein Freund. »Er ist ein verdammter Milliardär, aber er wartete geduldig auf die restlichen 15 Cents.«

»Deswegen ist er auch ein Milliardär. Aber eins möchte ich wissen: Warum hast Du ihm die elenden 10 Cents nicht einfach umsonst gegeben?«

»Es ist so«, sagte mein Freund. »Ich wollte ein Andenken von ihm haben.« Er schaute auf das 25-Cent-Stück in seiner Hand. »Kratz' irgendwas drauf«, sagte ich, »damit du es nicht mit irgendwelchen anderen, gewöhnlichen 25-Cent-Stücken verwechselst.«

Er nahm meinen Vorschlag ernst und kratzte mit seinem Schlüssel ein »W« auf das Gesicht von George Washington. »Unglaublich!« sagte er. »Die Jungs in Kharkov würden uns das nie glauben… Das ist eine Geschichte! Da laufen wir gerade so lang auf der Madison Avenue und… da läuft er selbst, einfach so, genau wie wir… er, das wichtigste Genie unserer Zeit! Und er trägt nicht mal Adidas-Turnschuhe, sondern nur irgendeine unbedeutende Marke… und sein Rucksack, aus Polyester-Scheiße…« Er verzog angeekelt sein Gesicht.

»Das sind seine Prinzipien«, sagte ich.

»Wie meinst du das?«

»Er trägt Polyester aus Prinzip. Er betet Nylon-Hemden an, und auch die vielen anderen nicht-natürlichen Produkte. Er ist der Prophet der Künstlichkeit, das geistige Kind von Picabia, mondbleicher Nazi-Tscheche — der Vernichter der alten fettarschigen Kultur. Daß er auf 15 Cents wartet, steht in vollem Einklang mit seinen Prinzipien. Er ist militant-antiromantisch, er rechnet gerne, und es macht ihm Spaß, über Geld zu reden…«

»Woher weißt du das alles?« fragte mein Freund.

»Weil ich«, sagte ich, »im Gegensatz zu dir, Bücher lese.«

»Ich bin Künstler. Ich brauche keine Bücher. Lesen ist für Schriftsteller wichtig.«

»Von mir aus geh doch zu ihm und kriech ihm in den Arsch. Er behauptet auch, daß er keine Bücher liest. Er hat aber eins geschrieben, »Andy Warhols Philosophie«. Ich habe sein Buch gelesen und dabei Englisch gelernt. Irgend jemand hat's mir gegeben.«

»Worum geht es in dem Buch? Interessant?«

Wir waren an der 57. Straße angekommen und blieben unschlüssig an der Ecke stehen. Wir hatten nichts vor, und viel Zeit. Er hatte gerade vor einer Woche seinen Job als Photograph am New Yorker Universitätskrankenhaus verloren. Ich hatte auch keinen Job, ich lebte vom Sozialamt.

»Ich hätte ihn nach einer Arbeit fragen sollen«, sagte mein Freund. »Er stammt aus einer Immigrantenfamilie. Tscheche, weißt du, Slawe… wir sind vom gleichen Blut.«

»Ich dachte, du wärst Jude. Außerdem hat Andy Warhol sowieso kein Blut. Er ist elektronisch. Ich bin sicher, wenn man ihm unters Toupet gucken würde, würde man lauter Drähte, Mikrochips und Ähnliches sehen.«

»Hör auf«, sagte er. »Woher nimmst ausgerechnet du das Recht, über ihn zu lachen? Er ist der Superstar, und du bist nur eine Null. Ein Sozialfall bist du…«

»Noch ist nicht aller Tage Abend«, sagte ich. »Ich bin erst dreißig, ich habe noch Zeit.«

»Aber sicher.« Plötzlich sah er traurig aus. »Was sollen wir jetzt machen?«

»Gehen wir zum Central-Park? Wir kaufen uns ein paar Hot-dogs und Flachmänner. Ich hab auch einen Joint.«

»Schon wieder? Spaß für die Armen… Wir haben uns schon hundertmal im Central-Park besoffen… O.k., gehen wir. Was sollen wir sonst machen, ohne Geld…« Wir bogen nach rechts ab.

»Mich interessiert«, sagte ich, »ob er, ich meine Andy, auch mal in den Centrai-Park geht?«

»Was für'n Grund hätte er, dahin zu gehen? Er geht ins Plaza und trinkt Champagner mit Liza Minelli. Nur Arbeitslose wie wir gehen in Parks. Herumsitzen und warten, warten auf nichts. Verdammte Scheiße! Ich will reich sein! Reich und berühmt!« schrie er. Die vorbeilaufenden Leute schauten uns argwöhnisch an.

»Warum hast du Andy Warhol nicht gekidnappt, vorhin auf der Madison Avenue?« fragte ich. »Du hast deine Chance verpaßt, Baby. Es wäre so leicht gewesen. Er war allein, keine Leibwächter, man hätte dieses Genie einfach schnappen sollen und in den Kofferraum verfrachten…

»Meinst du, er wäre viel wert gewesen?«

»Was glaubst du denn? Du hättest ihn zwingen können, in der Gefangenschaft zu arbeiten. Er hätte Bilder produziert, und du hättest sie verkauft. Mit ihm hättest du keine Probleme gehabt. Er wäre ein Mustergefangener gewesen. Ich habe sein Buch sehr genau gelesen, Wort für Wort. Ich habe das Wörterbuch benutzt. Ich weiß, daß er nicht viel braucht, dieser Andy. Ein Tonbandgerät würde reichen.«

»Von mir aus hätte er nur Campbell-Suppen zu essen bekommen« sagte mein Freund mit einem boshaften Lächeln.

»Vielleicht kann er Campbell-Suppen nicht ausstehen.«

»Er würde sie schon essen, seinem Image zuliebe. Ich könnte auch die Leichenbilder benutzen, die ich im Krankenhaus geschossen habe. Ich habe sie dir gezeigt, du kennst sie. Er würde einfach etwas Acryl-Farbe draufkleckern, ein paar Tropfen hier, ein paar da, das würde Zehntausende bringen. So'n Gekleckse könnte ich selber besser machen, aber seine Unterschrift ist das Wichtige.«

»Ja, ich weiß, auch du bist ein Genie«, sagte ich. Er reagierte nicht auf meinen Humor, er war mit seinen Überlegungen beschäftigt. »Wie schaffen es solche Leute, so wichtig, so symbolträchtig, so einmalig zu werden, sag mal, Edward? Beschissener Tscheche! Hast du es noch nicht gemerkt, Edward? Das sind häßliche Menschen, diese Tschechen.«

»Ich habe selten welche gesehen. Ich habe nur eine einzige Tschechin gekannt, damals in Rom. Sie war zwar hysterisch, aber ihre Häßlichkeit war nur von der gewöhnlichen Sorte.«

Die Herbstblätter wehten raschelnd die 57. Straße herunter. Plötzlich warf sie uns der Wind ins Gesicht. »Scheiß Wetter!« sagte mein Freund. »Und der läuft nur mit einer Jacke herum.« »Wer?« »Warhol.« »Ich habe dir schon gesagt, er ist elektronisch. Vielleicht ist sein Hemd geheizt. Es wäre ganz leicht, ein paar Batterien in den Rucksack zu legen, und dann könnte er rumlaufen, solange er wollte. Weißt du, so ähnlich, wie in eine elektrische Heizdecke eingewickelt.«

»So was habe ich in meiner Wohnung. Aus dem Krankenhaus geklaut… Ich hätte mit ihm reden sollen, anstatt mit ihm Cents zu zählen. Scheiße! Ich hätte ihn nach seinem Geheimnis fragen sollen!«

»Ich kann dir sein Buch leihen. Anscheinend hatte er als Kind die Nase voll von den vielen Tschechen, die alle nur so herumsaßen und in ihrer Minderheiten-Sprache quatschten, und mit einem großen Kraftakt ist er da rausgekommen. Ich glaube, eines Tages hat er eine Wut gekriegt, ich meine, eine Riesenwut, auf die ganze Welt. Und das ist das Beste, was einem passieren kann. Äußerst selten dazu, einer von zehn Millionen macht diese Erfahrung. Denn erst, wenn man eine Sauwut hat, ist man in der Lage, den großen Schritt über seinen eigenen Schatten zu machen. Es reicht, nur einmal im Leben dahin zu kommen, aber dieses eine Mal wird man nie vergessen.«

»Und was findet man dort, jenseits von sich selbst?« fragte mein Freund. »Hat er das gesagt?«

»Das hat er nicht gesagt. Eigentlich hat er gar nicht erwähnt, ob er jemals dahin gekommen ist oder nicht. Ich aber bin der festen Überzeugung, daß er es geschafft hat.« »Und was, meinst du, ist dort?« »Das große Nichts, wahrscheinlich. Das große, gleichgültige, neutrale Nichts. Man hat dort keine Sorgen, man entscheidet einfach, was man sein will. Das hat auch Buddha entdeckt. Auch ein Supermann, der Buddha.«

»Ist Andy Warhol deiner Meinung nach genauso bedeutend wie Buddha?« »Eine gute Frage.« Ich lachte. »Kurz gesagt, der Tscheche hat einmal entdeckt: Wer sich selber nicht hilft, dem hilft auch sonst keiner.«

»Du klingst jetzt wie Madame Marge, die Leserin und Beraterin in der Wohnung unter mir… Gehen wir jetzt Fusel kaufen, oder wo gehen wir hin?«

Wir kauften eine große Flasche Schnaps und vier Hot-dogs. Wir kämpften mit unseren Pfennigen, um die Würste zu bezahlen, aber zum Schluß mußten wir aufgeben. Der Hot-dog-Verkäufer, ein Jugoslawe, nahm Andy Warhols 25-Cent-Stück und steckte es in seine Schürzentasche.

»Ich hätte die Münze sowieso nicht lange behalten können«, sagte mein Freund, als wir uns auf die Bank setzten. »Das wäre gegen meine Prinzipien.

«Wolkenkratzer Art Journal»,
#5, November-Dezember 1986


Originaltitel: «Quarter Энди Уорхола»

Love, love, love

Edward Limonow, Verfasser des Buches »Fuck off, America« und Autor der Andy-Warhol-25-Cent-Geschichte im letzten Wolkenkratzer erzählt in Love, Love, Love, wie er sich einmal aus Liebe, Wut und Leidenschaft in eine lehensgefährliche Situation begab…

Übersetzung von Hans Hütt

1. Teil

Du denkst, dein Leben ist langweilig, Leser? Du wirst jetzt herausfinden, wie nahe du Krieg, Tod und Zerstörung schon bist. Und wie schwach außerdem.

Ich bin ein Sex-Maniac. Die erste Nacht nach meiner Ankunft in New York landete ich auf einer Party, wo ich, noch bevor die Nacht vorbei war, nicht weniger als ein halbes Dutzend meiner früheren Freundinnen sah. Kurz vor Morgengrauen ging ich mit zweien in die Wohnung einer der beiden, zu Stacey. Stacey lebt in Washington Heights, nahe dem Hudson und George Washingtons Brücke in einem sehr hübschen, teilweise jüdischen Viertel. Staceys Straße ist die 175., was klingt, als ob es weit weg wäre, obwohl es mit dem Taxi vom Zentrum Manhattens aus nicht mehr als 10 Dollar kostet.

Beide Mädchen waren blond. Wir machten eine Zeitlang im Bett herum, versuchten zu vögeln, aber da wir betrunken und bekifft waren, beruhigten wir uns bald und schliefen ein. Morgens ging mein anderes Mädchen, und ich verbrachte den Tag mit Stacey.

Stacey hatte sich zum Besseren verändert in dem Jahr oder so, seitdem wir uns getrennt hatten; sie war sehr viel sexueller geworden. Vielleicht ließ sich dies damit erklären, daß sie ihren Lebensunterhalt im Bett verdienen mußte. Sie hatte einen fünf Jahre alten Sohn und verschiedene reiche Liebhaber für sich selbst. Von Zeit zu Zeit mochte sie gezwungen gewesen sein, sie zu wechseln und das Ergebnis war eine Anhäufung sexueller Erfahrung. Sogar Staceys Körper, der äußerlich noch der gleiche schlanke Körper eines gerade erwachsenen Mädchens zu sein schien, hatte in der Tat seine Struktur verändert: Er hatte sich in den Körper einer Hure verwandelt. Nachgiebig, wollüstig und umhüllt von Babyspeck — das war es, was mich an ihr reizte auf dieser Reise.

*

Ich wohnte für die zwei Wochen meiner Ferien in New York in einem Haus, wo ich einmal als Hausmeister gearbeitet hatte. Der Boß ließ mich da wohnen, ohne aber zu sagen, für wie lange, obwohl die Sekretärin und der jetzige Hausmeister mir erlaubten, bis zu meiner Abreise nach Los Angeles zu bleiben. Und so war es allein die Existenz Staceys und ihre Votze, die mich dazu brachten, die Schlüssel zu einer Wohnung in Washinton Heights anzunehmen, in der selben Straße wie Stacey, als ein Freund von mir, der sich Urlaub nahm, mir anbot, sie zu benutzen.

Manchmal, wenn auch nicht sehr häufig, entwickelt sich zwischen einem Mann und einer Frau eine Beziehung, die eher der zwischen einem Jungen und einem Mädchen gleicht. In unserem Fall begannen Stacey und ich, zusätzlich zu den Genüssen des Betts plötzlich einen Wettstreit, uns einander jedes nur vorstellbare Geheimnis anzuvertrauen — ob wir in den Tiefen dunkler New Yorker Bars saßen, auf dem Rasen im Central Park oder in einem anderen Park in der Nähe ihrer Wohnung, an dessen Namen ich mich nicht erinnere. Sie starrte mich an, ich starrte sie an, wir küßten uns, ich griff ihr unter ihrem Kleid zwischen die Beine und an die Möse, zupfte an ihrer kleinen Mähne aus blondem Haar, schlug vor, mit ihr in die Büsche zu gehen und zerrte sie hinein, wenn sie sich weigerte. Kichernd erzählte sie mir dann die Details der Geschlechtsakte mit ihren Geschäftsleuten, und ich erzählte ihr meine eigenen sexuellen Abenteuer. Manchmal verkrampfte sie sich und zeterte herum, aber vor einem Jahr noch wurde sie verkrampft und heulte, so war das besser; ein bemerkenswerter Fortschritt war erzielt worden.

Aber ich möchte nicht Staceys und meine Geschichte erzählen, weshalb du nur den bloßen Umriß unserer Beziehung bekommen hast. Meine Geschichte ist die von Limonow und der Süd-Bronx. Sie handelt davon, wie Limonow, und zwar wegen Stacey, bekleidet mit einem weißen Anzug und weißen Schuhen, bei sich ein Paket mit 21.000 französischen Franc in 500-Franc-Noten und alle seine Papiere, französische und amerikanische, Flugzeugtickets nach Los Angeles und von Los Angeles nach Paris, wie also Limonow sich um zwei Uhr morgens in der Süd-Bronx wiederfand, einem Gelände, das aussah, als wäre es von einer Atombombe verwüstet worden.

Der Franc fiel damals gerade gnadenlos und ich tauschte in der Hoffnung, er würde wieder steigen, meine Francs nur in kleinen Beträgen. Am Morgen jenes Tages hatte ich auch noch über 100 Dollar in meiner der Tasche. Ich traf Stacey an der Ecke Broadway und 57. Straße. Sie kam, wie ich in weiß gekleidet, in einem Kostüm mit enganliegendem Rock, der die Rundung ihres Arsches betonte — wie schön, einen jungen Körper auf hohen Absätzen bei sich zu haben. Die in diesem Leben zu kurz Gekommenen — und sie sind zahlreich am Broadway und in der 57. Straße — starrten mich neidisch an, während ich spöttisch meine Marilyn Monroe so durch das Gewühl steuerte, als wäre ich daran gewöhnt; immerhin bin ich 37 und habe das Recht dazu. Das Siegeszeichen war jene süß duftende junge Votze neben dem leicht ermüdeten Edward — das Zeichen für seinen Triumph über die Welt. All right!

*

Wir tranken eine beträchtliche Zahl von Drinks in einer Piano Bar auf der East Side, die »Sign of the dove« hieß und die Rechnung war, ich erinnere mich, sehr hoch. Eine Menge Geschäftsleute und andere feine Leute, von denen jeder hundert oder tausend mal mehr Geld hatte als ich — ich hatte mit den 21.000 Franc mein ganzes Kapital bei mir — betrachteten mich mit Respekt, als ich die hochgewachsene, besoffene Stacey hinausführte, wobei ihre hübschen Beine etwas schwankten und ein trunkenes Lächeln ihr Gesicht überflog. Ihre Frauen waren zweifellos gebildeter als Stacey, hatten aber weniger Klasse. Stacey, sollte ich erwähnen, wußte nichts über Kunst oder Literatur, aber andererseits hatte sie unbestimmt grüne Augen, kupferrotes Haar, kleine Brüste, einen weichen Arsch, dessen Backen sich in der Form eines verlängerten Os fast bis zur Taille erstreckten und sie war jung; sie war 23. Es gab mehrere junge Frauen in der Bar, aber die waren weit entfernt von der provozierenden Vulgarität meiner Marilyn Monroe.

Sie hatte ganz schön geladen und ging mir allmählich auf die Nerven. Sie wollte etwas essen. Ich auch, und ich hatte vor, neun Blocks weiter in Richtung Third Avenue zu gehen, zu dem von mir bevorzugten »P.J.Clark's«: Dort unter der alten Uhr sitzen, zwischen Anwälten und Ärzten, ehemaligen Boxern oder ehemaligen Polizisten und den Aufschneidern, die sich als Schriftsteller oder Künstler ausgeben — dort sitzen, inmitten jenes angenehmen menschlichen Mülls, dem der anderen und des eigenen, und zu Abend essen. Aber nein, sie wollte sofort essen und nicht erst in zehn Minuten, die uns der Weg bis zur 55. Straße gekostet hätte. Und so zerrte sie mich in das nächstbeste Lokal, an dem wir vorbeikamen, ein ekelhaft teures italienisches Restaurant, geschmacklos dekoriert mit Spiegeln, gefüllt mit einer sinnlosen Menge von Kellnern im Smoking aber bloß wenigen eingeschüchterten Provinzlern, die an den kleinen Tischen saßen. Es war der Punkt, an dem ich für wenige Minuten die Kontrolle über sie verlor, und genau deshalb fand ich mich wenige Stunden später in der Süd-Bronx wieder.

Ich ging mit ihr in das Restaurant. Sogar, obwohl ich sehr strikt in meinen Beziehungen zu Frauen bin und sie normalerweise nicht mich herumstoßen lasse, ging ich, ging ich gegen meinen Willen. Eine vorübergehende Schwäche.

*

Sie bestellte alles, was ihr unter die Augen kam und die Hälfte ihres Essens wurde unberührt abgeräumt. Ich habe es immer für beschämend gehalten, einer Frau Grenzen zu setzen, und es wäre dumm gewesen, ihr Vorwürfe zu machen: Die schöne Votze war betrunken und wir machten »einen Zug durch die Gemeinde«. Ich hatte keine Lust, ihr zu erklären, daß ich nicht so viele Dollars übrig hatte und daß mir in diesem Restaurant niemand französische Francs wechseln würde — zumal sie in ihrem Zustand kaum fähig gewesen wäre, überhaupt etwas vom Wechselkurs des Franc zu verstehen. Wie sich herausstellte, passierte nichts Schreckliches: nach meinen Berechnungen hatte ich genug amerikanisches Geld, und falls nicht, mochten die Italiener den Rest eben in Francs nehmen — Na und? Aber für eine krankhaft stolze Person wie mich konnte es unangenehm sein, den Maître herbeizurufen und Entschuldigungen zu stammeln. Ich dachte mit Widerwillen daran, daß er oder jemand anders, etwa der Geschäftsführer, aus bloßem männlichem Neid heraus froh über die Gelegenheit sein würde, mich als den Eigentümer dieser blühenden Votze ein wenig zu erniedrigen. Ich würde mich mehrmals entschuldigen müssen. Ich hatte deshalb eine Wut auf die Votze, die in dem Moment gerade einen Schluck von dem italienischen Wein nahm, den sie von Zeit zu Zeit gegen den doppelten Scotch tauschte, den sie bestellt hatte, als sie auf dem Stuhl zusammengesackt war. Ich trat sie unter dem Tisch.

Ich hatte genug Geld. Es war sogar noch etwas übrig. Drei Dollar. Aber ich war stinksauer. Ich würde die Rechnung bezahlen — man soll nicht denken, daß ich knauserig bin. In der Tat hatte ich an dem Tag über hundert Mäuse für sie ausgegeben. Was mich ärgerte, war die Tatsache, daß der besoffene Wille jener Votze in der Blüte ihrer Jahre sich mir gegenüber durchgesetzt hatte. Ich hasse es, wenn andere Leute für mich entscheiden, wohin ich gehe und was ich tue. Ja, wie ein völliger Egoist und wie eine dominante Persönlichkeit. Ein anderes Mal, wenn ich nicht so genervt wäre, hätte ich ihr die Situation und ihre glückliche Lösung ruhig erklärt. Ich scheue es nicht, meine finanziellen Probleme mit Frauen zu diskutieren. Ich bin nach wie vor stolz darauf, daß ich ein Schriftsteller bin und das ich jeden Tag kämpfe, um am Leben zu bleiben. Aber ich war wirklich sauer und als sie dann noch ein Taxi rief, nachdem wir aus dem Restaurant gekommen waren, weigerte ich mich, mit ihr zu gehen. Überhaupt nicht, weil drei Dollar offensichtlich nicht genug waren, um zu ihrer Wohnung irgendwo in Washington Heights zu gelangen. Nein. Sie hatte etwas Geld — ihr derzeitiger Geschäftsmann hielt sie aus; ich hatte die Hundert-Dollar-Noten und kleinere Scheine auf ihrem Nachttisch herumliegen sehen — aber die Welle der Verärgerung über diese Blondinen-Votze, die überhaupt kein Interesse für mich oder meine Probleme zeigte, überwältigte mich. An der Ecke Lexington und 64. Straße verabschiedete ich mich barsch und ging.

»Zicke!« Ich fluchte laut. »Verdammte Schmarotzerin!« Ich, ein Schriftsteller, der mit der Armut kämpfte, sollte dafür zahlen, daß sie ihren Wanst vollschlug mit egalwelcher Brühe, die sie wollte. Was war das für ein Mist? Warum sollte sie nicht dafür zahlen? Sie verdient mit ihrem Schlitz viel mehr als ich mit meiner Schreibmaschine. Und wahrscheinlich ist es nicht immer so unangenehm für sie. Sie erzählte mir selbst, daß ihr gegenwärtiger Geschäftsmann-Versorger, obwohl er bloß ein einfacher Tölpel ist, nett zu ihr ist und sich um sie kümmert, und daß er 55 ist und stark und gut gebaut. Warum fragte sie mich nicht, die Hure, ob ich genug Geld hätte? Ich hätte mich geweigert, Geld von ihr anzunehmen, da ich es vorziehe, selbst zu zahlen und es immer tue, aber warum hat sie mich nicht wenigstens gefragt, nicht wenigstens ein bißchen Interesse gezeigt? Warum mußte ich mich selbst demütigen mit meinen Berechnungen, statt mein Lachssteak zu genießen, wie sie es tat?

Ich war auf dem Weg nach Osten zu der Brownstone-Villa meines früheren Chefs, als mir plötzlich einfiel, zu ihr zu gehen, und falls ich jemand anders dort finden würde, würde ich… Hier gestaltete meine Vorstellung eine Szene brutalen Gemetzels, einen schrecklichen Kampf, einen Mord vielleicht, was alles mit der Vision endete, daß ich sie fickte, die aufsässige Hure, ihre Beine unbequem auseinandergerissen auf ihrem bequemen Bett. Und so wandte ich mich ab vom Osten, ich machte mich unverzüglich auf den Weg nach Westen — zur 59. Straße und Columbus Circle, um den Zug zu ihrer Wohnung zu nehmen. Diese Hündin. Um meine Gier zu befriedigen.

*

Das war das erste und das letzte Mal, daß ich nach ihrem Washington Heights mit der U-Bahn fuhr. Die Station war natürlich stickig, dreckig, abstoßend und dunkel. Voller Gesindel, meistens schwarz, und anderem menschlichen Abschaum, einschließlich der Geisteskranken, der Bößwilligen, der Armen, einer gewissen Anzahl, die nicht böse, aber entstellt waren und vielen Leuten, die ärmlich oder stumpfsinnig gekleidet waren. Schließlich schien es mir, jemandem, der gerade aus Europa zurückgekommen war, nach einem Jahr fern von diesem typisch unglückseligen New Yorker Maskenball, als wäre ich die ganze Zeit umzingelt von einer Bande von Monstern. Einer Masse von Monstern.

Es war bereits nach ein Uhr morgens, und bloß meine Bosheit gemischt mit Gier sowie die Schlüssel zu der Wohnung meines verreisten Freundes in der Tasche ließen mich da stehen, in jenem übelriechenden Schacht, und auf den Zug warten. Schließlich lief er vor zwei Uhr mit einem Godzillagleichen Getöse ein. Ich hatte im Verlauf des Abends elf oder zwölf Bloody Marys und mehrere Flaschen Wein und vielleicht noch was zwischendurch, woran ich mich nicht mehr erinnere, getrunken, und war, wie man verstehen kann, in einem etwas exaltierten Zustand. Ich war nicht betrunken, aber ich dachte nicht mehr klar, mehr meinem Gefühl als meinem Verstand folgend.

Ich verließ den Zug ungefähr 25 Minuten später an der — ja, an der 175. Straße. Aber als ich aus dem pißfleckigen U-Bahnschacht auf die Straße trat, erkannte ich nicht, wo ich war. Das Haus meiner Freundin lag in der Nähe der U-Bahnstation, und obwohl ich, wie ich schon sagte, nie mit der U-Bahn dorthin gefahren war, kannte ich die Umgebung mehr oder weniger. Aber hier war es die falsche. Die falsche Landschaft, die falschen Gebäude, die falschen Umrisse, alles vollkommen falsch. Viel dunkler und schlimmer.

Ich hob meinen Kopf und betrachtete das Straßenschild. »175. Straße Ost«, sagte es. »Ah«, dachte ich, »175. Straße Ost; was ich brauche, ist die 175. Straße West. Stacey wohnt gleich am Hudson und der Washington-Brücke, also heißt das 175. West.« Irgend eine große, dunkle Straße überquerend, machte ich mich auf den Weg in die Richtung, in der ich nach meiner Berechnung vielleicht die 175. Straße West finden würde.

Ich hatte zu meiner Zeit fünfeinhalb Jahre in New York gelebt. Ich dachte, alles über die Stadt zu wissen; ich hatte sie kreuz und quer zu Fuß durchlaufen, wenigstens dachte ich das. Aber ich hatte mich verirrt.

*

Am nächsten Tag, als ich mir eine Karte von New York ansah, sah ich, wie dumm und übermütig ich gewesen war. Auf der Höhe der 175. Straße waren Osten und Westen meilenweit voneinander entfernt. Und wie ich jetzt weiß, waren das Meilen zerstörter Wohnblocks. Meilen aufgegebener, unbewohnter oder kaum bewohnter ausgebrannter Gebäude mit zerbrochenen Fenstern. Vor mir lag, wie sich zeigte, Stalingrad 1943. Und nichts argwöhnend befand ich mich, ich, ein ehemaliger Dieb und zum Schriftsteller gemauserter Räuber, ein kräftiger Kerl mutigen Ganges, mit weißem Jackett bekleidet und einem Haufen Geld und Papieren mit mir, mitten in der Kriegszone. Du kannst so hart sein, wie du willst und eine kriminelle Vergangenheit oder sogar eine kriminelle Gegenwart haben, aber dich in einem weißen Anzug und weißen Schuhen dort wiederzufinden, wo ich mich befand, als ich aus der U-Bahn kam, und dich eine Stunde später in der Süd-Bronx zu verirren, das würde kaum in deine Pläne passen. Sogar mit einem Revolver würdest du dich in einer solchen Gegend kaum sicher fühlen. Was nützt einem ein Revolver, wenn sie bloß einen Ziegel nach dir zu schleudern brauchen? Und ich hatte nicht einmal ein Messer bei mir. Ich hatte es an diesem Morgen, bevor ich Stacey traf, geschafft, in der Stadt zur Einwanderungsbehörde zu gehen, weshalb ich auch alle meine Papiere bei mir hatte; da ich natürlich verschlafen hatte, vergaß ich in der Hektik, noch zur Einwanderung zu gelangen, das französische Geld aus dem Paket zu nehmen.

Ein rußiger, übelriechender Windstoß fuhr mir unter das Jackett. Es war nicht dunkel, da der Mond aufgegangen war, aber die Nacht war düster, und die Gegend war vollkommen öde, obschon von Zeit zu Zeit eine starke Bö plötzlich eine zerrissene Zeitung oder auch eine Cola-Dose um eine Ecke wehen oder eine Flasche herumrollen mochte. Zuversichtlich hüpfte ich die Straße entlang, von der ich zu dem Zeitpunkt noch glaubte, daß sie in Richtung Westen führte. Ganz plötzlich war sie zu Ende, mündete in eine andere Straße, die sich weiter vorne und nach links in der Dunkelheit verlor und leider hatte sie keine Nummer, obwohl sie durchaus einen Namen hatte. Ich beschloß, ihr zu folgen, auch wenn ich besser daran getan hätte, zurück zur U-Bahn zu gehen, zu meiner eigenen Rettung. Oft verstehen wir die Bedeutung unserer Handlungen nicht, bis wir die Konsequenzen sehen. Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Die Folgen würden sich bald einstellen.

«Wolkenkratzer Art Journal»,
#1, Januar-Februar 1987

Fortsetzung im nächsten Heft!

2. Teil

Den ersten Teil der Love, Love, Love-Geschichte beschreibt Edward Limonow so: »Meine Geschichte ist die von Limonow und der Süd-Bronx. Sie handelt davon, wie Limonow, und zwar wegen Stacey, bekleidet mit einem weißen Anzug und weißen Schuhen, bei sich ein Paket mit 21.000 französischen Francs in 500-Francs-Noten und alle seine Papiere, französische und amerikanische, Flugzeugtickets nach Los Angeles und Los Angeles nach Paris, wie also Limonow sich um zwei Uhr morgens in der Süd-Bronx wiederfand, einem Gelände, das aussah, als wäre es von einer Atombombe verwüstet worden.«

Wie Limonow dieses Gelände bewältigt und welche Konsequenzen er aus dem Abenteuer zieht, erfahren Sie nun im zweiten Teil.

Eine halbe Stunde später war mit alles klar. Die bewohnten Gegenden hatten vollkommen geendet, und ich ging nun in eine unbekannte Richtung, vorbei an Gebäuderuinen, aus deren Eingängen Haufen zerbrochener Ziegel, angekohlte Möbel, Abfall und gewisse schlecht bestimmbare Bruchstücke von etwas, das verdächtig nach zerstückelten Körpern aussah, auf dem Gehweg zu einer übelriechenden Masse zusammenflössen. Ständig knirschten die Scherben unter den Absätzen meiner weißen Oscar Wilde Designer Schuhe. Lumpen, Konservenbüchsen, Flaschen, die Knochen von Tieren… »und womöglich auch menschliche«… dachte ich mit einem schwarzen Humor, der sogar mich überraschte.

Das Meer von Schutt ließ bloß einen schmalen Teil des Gehweges frei für Fußgänger. Aber es gab natürlich keine Fußgänger. Vielleicht waren das ihre Knochen, die weiß im Abfall glommen.

Gelegentlich hörte ich den Klang von Musik von irgendwo in den Ruinen, mehrere Male erreichte mich der Lärm von Streiterein und lautes Lachen aus den anscheinend unbewohnten Kästen, und mehrmals sah ich in ihnen Lagerfeuer brennen, aber das erste Mal, daß ich wirklich Angst bekam, war, als ich die dunkle Gestalt eines Mannes erblickte.

Unwillkürlich seufzte ich aber vor Erleichterung; der Schatten war nach vorne gekrümt, ein Mann, auf einen Stock gestützt, ein alter Mann. So eigenartig es klingen mag: Der alte Mann führte einen Hund in einer Senke spazieren, die mit Sand und Abfall gefüllt und hier und da von dem dunklen, zähen Gras aufgegebener Plätze überwachsen war — eine Senke, die an einen Krater erinnerte, den die Explosion einer fürchterlichen Bombe geformt hatte, oder an eine Grube, die man vor langer Zeit für einen Neubau ausgehoben und dann vergessen hatte. Der Alte-Mann-Schatten starrte mich an — ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber mit Sicherheit sah er mich an, ein Gespenst in weiß. Ich dachte, er würde einige von den anderen Alten, oder noch schlimmer: nicht so alten Männern zu Hilfe rufen, und sie würden sich um mich kümmern.

Und dann tat ich etwas, was ich von mir selbst nie erwartet hätte. Ich legte mein Päckchen auf einen Ziegelhaufen, drehte mich zu dem alten Mann, machte meine Hose auf, holte mein Glied heraus und begann gemächlich zu pissen. In einer ausführlichen und zeremoniellen Weise bewässerte ich die Einöde jener von Menschen gemachten Wüste direkt vor einem Eingeborenen.

Jetzt ist mir klar, daß ich mit brillanter Einfachheit handelte; mit einem hundeähnlichen Instinkt. Auf der einen Seite war dem alten Mann klar, daß ich weder ihn noch sonstwen in der Nähe fürchtete, da ich ruhig pißte. Und auf der anderen Seite war der einfache Akt, meine Blase zu leeren, freundlich und friedlich, als ob ich mit dem Schwanz den alten Mann anwedelte.

Schließlich machte ich meine Hose zu, nahm mein Päckchen und setzte langsam meinen Weg fort, wobei ich meine Lage überdachte. Es sah ziemlich mies aus. Ich befand mich in der gefährlichsten Ecke von ganz New York, und in meinen weißen Klamotten war ich vollkommen wehrlos. Ich würde mir irgendeine Verhaltensstrategie ausdenken müssen. »Wenn du, Edward, durch diese leeren, dunklen Straßen rennst, wird irgendjemand dich sicher sehen und wird an deiner Hast erkennen, daß du dich fürchtest und nicht hierher gehörst, und wird dich entweder ermorden oder ausrauben, oder wer weiß was noch. Sie werden dir deinen Arm, dein Bein oder dein Glied abschneiden. Was auch immer den Eingeborenen dieses steinigen Landes durch den Kopf geht — und was sogar die Fassungskraft eines Maquis de Sade übersteigt — sie sind fähig, es zu tun — nach einer einfachen, angenehm anregenden Fünf-Minuten-Jagd«.

Wie ein erfahrener und praktisch veranlagter Soldat kam ich zu dem Schluß, daß das Vernünftigste, was ich tun konnte, war, ohne Hast zu laufen, um den Eindruck zu erwecken, daß ich dort geschäftlich unterwegs war. »Wer verdammt weiß schon«, dachte ich, »vielleicht bin ich ein Mafioso, der hier zu seinem Vergnügen entlangläuft, und um die Ecke wartet ein Auto auf mich. Oder vielleicht…« Aber mir fiel nichts anderes ein, und so hörte ich bei dem Bild von dem Mafioso auf, der herkommt, um ein Geschäft zu machen: 20 Kilo Heroin gegen eine entsprechende Menge Geld — Millionen von Dollars in kleinen, abgegriffenen Scheinen.

Es war lächerlich, aber es beruhigte mich. Wenn schon nicht hundert- dann wenigstens fünfzigprozentig. Und falls ich auf andere zweibeinige Menschen-Ungeheuer in den Ruinen stoßen würde, würde ich diese Begegnung wie ein Fürst austragen. Ich schlenderte da entlang in jener entspannten, fast koketten Weise, wobei mein Bündel hin- und herschwang. Ich erinnerte mich dann, daß ich früher in New York häufig für einen Italiener gehalten worden war, und in dieser Rolle stolzierte ich über die Glasscherben, als kennte ich jeden Stein und hätte vor, mich durch einen dunklen Spalt in der Mauer des nächsten ausgebrannten Hauses zu schwingen, wo meine Männer auf mich warteten, bis an die Zähne bewaffnet. Die Schatten der Eingeborenen glitten vorbei, wobei sie nicht einmal einen flüchtigen Blick auf mein weißes Jackett warfen. Vielleicht dachten sie auch wirklich, daß ich ein Mafioso war, oder auch ein Marsmensch, oder womöglich Bürgermeister Koch.

*

Das Hauptproblem war nun, nachdem ich mich genügend beruhigt, und, gemäß der Stanislawsky-Methode, mich selbst davon überzeugt hatte, daß ich tatsächlich der Mafiosi Limonow war, capo di tutti von allen anderen Mafiosi, das Hauptproblem war, herauszufinden, in welche Richtung ich gehen mußte. Es war unmöglich, stehen zu bleiben: Ich konnte aus hunderten ausgebrannter, scheibenloser Fenster beobachtet werden. Aus diesem Grund ging ich langsam, wobei ich versuchte, meiner Bewegung einen Anschein von Gewohnheit zu verleihen, auch wenn das nur bedeutete, daß ich versuchte, ziemlich genau in eine Richtung zu gehen. Einmal, als ich die Häuser plötzlich hinter mir gelassen hatte, tauchte vor mir eine zusammengebrochene Steinbrücke auf, die starr hinaufreichte zu einem unbenutzten Gewirr von Tunneln, und ich, der reine und furchtlose Ritter Limonow, ich sprang in jenes Durcheinander aus Stein und Metall. Es schien mir, als wüßte ich, wo ich war, nämlich daß vor mir die Cross-Bronx-Stadtautobahn lag.

Vielleicht war sie das wirklich, aber als ich die andere Seite erreichte, fand ich genau das gleiche wieder — ein düsterer Anblick zerstörter Steinkästen, die in der Entfernung verschwanden, und ich setzte meinen Weg durch den größten und breitesten steinernen Schacht fort, in der Hoffnung, daß er irgendwo hinausführen würde. Irgendwo, wo Menschen wohnten. Ich fühlte, daß ich mich tatsächlich der Westseite näherte, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl: Ich war ein Soldat während eines Angriffes auf offenem Feld und ohne eine Deckung. Die Zufallschancen des Fliehenden: Wird er getötet oder nicht? Aus der Entfernung sah ich, als geschähe es wirklich, wie mein weißes Jackett diese Straße des Teufels entlang sauste und mit ihm mein eigener, verwundbarer Rücken.

Ich bin gerade etwas ungerecht dieser unvergeßlichen Landschaft gegenüber. Ich sollte erwähnen, daß ich verschiedene Male an Häusern vorbeikam, die so aussahen, als ob sie teilweise bewohnt waren. In der Nähe von einem sah ich sogar mehrere kleine Bäume mit einem verdächtig gepflegten Aussehen. Aber der einsame Reisende zog es vor, nicht an die wenigen unzerbrochenen Scheiben zu klopfen, dunkel ahnend, daß es bestimmt nicht die besten Leute waren, die in diesem Steindschungel lebten und es geschafft hatten, ihre Fenster unversehrt zu halten. Eher würden es die Stärksten sein, die das konnten. Und es waren tatsächlich die Stärksten, die ich fürchtete.

Mit einem Mal hörte ich das Brummen eines Autos hinter mir. Ich drehte mich um und sah einen Polizeiwagen auf der anderen Straßenseite herankommen. Ein langsam fahrender Polizeiwagen. Von da an war plötzlich der Duft von Mai, denn es war Mai, von Mai und Leben zu spüren. Ich dachte an die Reise nach Griechenland, die ich vielleicht machen konnte, wenn der Franc plötzlich wieder steigen sollte. Und ich rannte über die Straße zu dem Polizeiwagen, winkte grüßend mit den Armen…

Nein, sie hielten nicht an. Sie gaben Gas. Ich realisierte, daß dies vielleicht das einzige Schiff war, das jemals an mir Schiffbrüchigen vorbei segeln würde. Ich wußte, daß ich nichts zu verlieren hatte, und ich begann zu schreien. »Polizei, Polizei!« Aber ihre Lichter verschwanden um die Ecke.

Ich dachte damals nicht über die Gründe nach, die jene Hüter des Friedens veranlaßten, nicht zu halten auf den Zuruf eines Mannes im weißen Anzug um vier Uhr morgens auf einer kleinen Straße in der Süd-Bronx. Vielleicht erkannten sie, daß ich kein Mafiosi war; und sie waren neugierig zu sehen, was geschehen würde: Würden die Eingeborenen diesen Intellektuellen, der wie ein Schwuler gekleidet war, sich vornehmen, oder würde er bis zum Morgen überleben? Die Kerle spielten ein Experiment durch, um einmal mehr den Grad der Kriminalität in ihrem Viertel zu ermitteln. Es ist ebenso möglich, daß die Polizei in Übereinstimmung mit mir beschlossen hatte, daß ich ein Mafioso war und sich davongemacht hatte aus Angst vor irgendeinem Trick, etwa, daß ich eine Granate auf sie schleudern würde. Aber ich war damals noch nicht zugänglich für Gründe.

Ich hatte sogar noch, als der Polizeiwagen die Kurve kratzte, eine Idee, wie ich mich retten konnte. Ich beschloß, ein Telefon zu finden und ein Taxi zu bestellen. Ich hatte eine leise Ahnung von der vollkommenen Unwirklichkeit meiner Idee, aber ich wollte leben. Ich setzte daher schnell mein Vertrauen auf das Telefon und das Taxi. Und ich begann bereits darüber nachzudenken, wieviel ich dem Fahrer in Francs zahlen mußte. Dreimal soviel? Jeder wußte, daß der Franc am Fallen war, und außerdem würde der Fahrer eine gewisse Zeit vergeuden müssen, um die Francs in Dollars zu tauschen, und ich stellte das in Rechnung. Aber der Mensch ist ein schreckliches Ungeheuer, sogar in Zeiten der Gefahr. Ich würde in meiner Großzügigkeit keinesfalls mehr als »das Dreifache« zahlen.

Ich versuchte, ein Telefon zu finden in dem Gelände mit jener plastischen Aussicht, die wie von der Hand de Chiricos gezeichnet schien, wenn auch von einem ungewohnt düsteren Chirico. Unglücklicherweise ist es selbst in den normalen Teilen Manhattens manchmal schwer, ein Telefon zu finden, das funktioniert, während es hier natürlich besonders viel Zeit brauchte, Fortuna mich anlächeln zu lassen. Der verzauberte Wanderer in weißen Schuhen war bereits eine halbe Stunde gelaufen, die Glasscherben knirschten unter den Füßen, als plötzlich — eine Bar, eine offene Bar! Ich rieb meine Augen. Nein, es war keine Fata Morgana, sondern eine Bar mitten in den Ruinen.

*

Der Wanderer konnte ein ganz ansehnliches Glas Scotch für seine drei Dollar bekommen, sogar zwei Gläser, zumal das keine Bar an der Fifth Avenue war, aber er ging nicht hinein; er ging darum herum, als wäre es eine Brutstätte der Pest, und bloß, weil er falsch gekleidet war — wie ein weißer Engel — zu einer Zeit, in der die Eingeborenen eine ganz und gar andere Mode befolgten. Als er um die Bar herumgegangen war, sah der Wanderer am Rand des Gehwegs ein überdachtes Telefon. Und es funktionierte. Der Hörer stank nach Kotze, natürlich, aber eine Verbindung zur Welt war hergestellt. »Guten Morgen«, sagte der Operator. »Kann ich ihnen helfen?«

Ich telefonierte dreimal — drei Siege — und erwartete jedes Mal, daß ich nicht bis zum nächsten Mal überlebte, daß jemand plötzlich aus den Ruinen auftauchen würde und mich gleich dort abstechen würde. Leise und umstandslos. Ich wußte, daß diese Leute die unangenehme Angewohnheit besaßen, Fremde selbst für drei Dollars zu ermorden.

Nach der Begrüßung gab der Operator mir gleich zwei Nummern, unter denen ich ein Funktaxi erreichen konnte. Ich wählte eine von beiden, und eine heisere, energische Stimme sagte mir, nachdem sie mir wieder einen guten Morgen gewünscht hatte, daß man mich abholen würde. »Wohin?« fragte sie. Ich sagte, sie sollten mich zur 58. Straße Ost fahren. Ich wollte nicht mehr nach Washington Heights — zur Hölle mit ihnen, diesen Huren. Sogar ihre ruhige, jüdische Bevölkerung passte mir nicht. Nach dieser unheilvollen Allerheiligen-Party, der ich von zwei bis fünf Uhr ausgesetzt war, wollte ich mich bloß fallen lassen in der Atmosphäre des Stadthauses des Millionärs, in einem Haus, das sauber und schön war, und untertauchen in dem weißen Upper-Class Bett in dem Gästezimmer, das für mich in der vierten Etage reserviert war.

Als mich die Stimme fragte, wo ich wäre, sagte ich ihr, daß ich auf der Straße wäre, und falls sie eine Minute warten würde, würde ich nachsehen, an welcher Ecke ich mich befand. Ich ließ den Hörer hängen, sah nach und verstand augenblicklich, daß kein Taxi hierherkommen würde, zur Front. Keinesfalls. Aber natürlich ging ich zurück zum Telefon und sagte der Stimme, daß ich an der Kreuzung 146. und White Street, nicht weit von der Jerome Avenue wäre. Und erst jetzt verstand ich vollkommen, daß ich mich im innersten Herzen der Süd-Bronx befand, und daß es keinen schlimmeren Platz gab.

Die heißere Stimme zögerte fast unmerklich, dann gewann sie mit professioneller Routine die Kontrolle wieder und sagte, ein Taxi würde in zehn Minuten dasein. Aber ich wartete noch eine halbe Stunde und schlich mich vorsichtig in die Ruinen. Dort setzte ich mich auf mein Päckchen an eine Stelle, von wo aus ich die Straße sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden und wartete.

Eine halbe Stunde später telefonierte ich noch einmal. Obwohl es hart war, ließ ich mich die grünäugige Stacey anrufen. »Ja?« antwortete ihre schläfrige Stimme langsam; sie wälzte sich herum. »Ich bin es« sagte ich.

»Wo bist du?« fragte sie träge.

»An der Ecke der 146. und White«, sagte ich. »Ich habe mich verirrt.«

»Komm her, wenn du willst«, sagte sie und wälzte sich langsam wieder herum. Sie mochte es, ganz eingewickelt in Decke und Laken zu schlafen, so daß die ovale Form ihres prächtigen Arsches deutlich zu sehen war.

Ich legte auf und ging weiter durch jenen mir schon bekannten Schrecken, in welche Richtung auch immer meine Augen mich führten. Ich hatte sie angerufen, weil ich sie bitten wollte, ein Taxi zu nehmen und mich an der Ecke 146. abzuholen, aber ich war so abgestoßen von ihrer übersättigten Hurenart, von ihrer schläfrigen Stimme und sogar von der Tatsache, daß sie ihren Körper verkaufte, obschon ich das früher gemocht hatte… jedenfalls fragte ich sie nicht. Früher, wenn ich bei unseren Liebesspielen an ihren milchweißen kleinen Händen die ledernen Handschellen mit den Ketten befestigte und ich sie fickte, während ich ihren hilflosen Körper peitschte, früher dachte ich tatsächlich, ich war sicher, daß ich sie gebrauchte, grob und grausam gebrauchte, um meinen eigenen sexuellen Hunger zu stillen. Aber jetzt sah ich, daß sie es war, die mich gebrauchte, wobei sie offensichtlich nicht einen einzigen Gedanken an mich verschwendete, während sie es tat. Ich war es, der ihr diente, der Hündin!

Vielleicht kam es von dem Haßausbruch, aber plötzlich hatte ich Glück und gelangte an eine U-Bahnlinie. Ich ging die Stufen zum Bahnsteig hinunter und kam in die Station, die aussah wie eine scheußliche Scheune. Ich war nicht einmal besonders glücklich, daß ich sie gefunden hatte.

Ein weißer Latino reparierte gerade ein Drehkreuz und hatte es von seinen Verankerungen abgenommen. Ich fragte ihn, wie ich zur 58. Straße Ost käme. »Wie kommen sie hierher, Mann?« fragte er und legte seine Schraubenzieher und sichelförmigen Schraubenschlüssel nieder und betrachtete mich, einen weißen Engel, mit Verwunderung.

Ich erklärte ihm, daß ich den falschen Zug genommen hätte. Ich hätte nach Washington Heights fahren wollen, aber… Kurz, ich erzählte ihm meine Geschichte mit ein paar Worten.

»Und sie sind von der 175. Straße Ost hierher gelaufen?« rief er aus. »Glück gehabt.«

Nachdem ich mehrmals die Züge gewechselt hatte, erreichte ich schließlich vollkommen erschöpft bei Tagesanbruch das Haus des Millionärs und öffnete die Tür mit meinem Schlüssel. Ich ging gleich in die Küche, nahm mir ein Fünftel J&B von der Bar und ein Glas und ging nach oben in den TV-Raum im zweiten Stock. Da legte ich die erste Videokassette ein, die ich fand und begann, mir Yellow Submarine von den Beatles anzusehen.

Aber ich konnte es nicht lange aushalten; die zu großen Portionen Liebe, die der Film auftischte, waren ungewohnt anstößig für mich und ich schaltete ab. »Liebe, Liebe« dachte ich, »es mag in Ordnung sein für Leute mit Millionen, von Liebe zu schwindeln, sich vom Rest der Welt mit Liebe und 10 Prozent Barmherzigkeit abzusondern. Liebe — weder die Bewohner der Süd-Bronx noch ich mit meinen 21.000 Francs können sie uns leisten. Ich ficke eure Liebe.« Und nachdem ich die Flasche ausgetrunken hatte, schlief ich auf dem Sessel ein.

«Wolkenkratzer Art Journal»,
#2, März-April 1987


Originaltitel: «Ист-Сайд — Вест-Сайд»

Love, love, love (English)

Edward Limonov, author of the book, «It's Me, Eddie», and the article, «Andy Warhol's Quarter», which appeared in the last issue of Wolkenkratzer, tells in «Love, Love, Love» how he once — due to love, anger, and passion — got himself into a dangerous situation…

You think your life is boring, reader? You will now find out just how close to war, death, and destruction you are. And how weak, too.

I'm a sex maniac. The first night of my arrival in New York I landed at a party where, before the night was over, I saw no less than half a dozen of my former girlfriends. Towards dawn I went with two to the apartment of one of them — Stacey. Stacey lives in Washington Heights near the Hudson River and the bridge of Washington, George, in a very nice, partly Jewish neighborhood. Stacey's street is 175th, which sounds far away, although it's no more than ten dollars by cab from the center of Manhattan.

Both girls were blonds. We all fooled around in bed for a while that night, trying to make love, but since we were all drunk and stoned, we soon calmed down and fell asleep. In the morning my other girl left, and I spent the day with Stacey.

Stacey had changed for the better in the year or so since we'd parted; she'd become a lot more sexual. Maybe that was to be explained by her having to earn her living in bed: she had a five-year-old son and had gotten several rich lovers for herself. From time to time she would have to change them, and the result was an accumulation of sexual experience. Even Stacey's body, which on the outside still seemed the same slender body of a girl just past adolescence, had in fact altered its structure: it had been transformed into the body of a whore, softly sensual and covered with baby fat, which is what attracted me to her on this trip.

I was staying for those two weeks of my New York vacation at a place where I had once served as caretaker. The boss let me live there, but without saying how long, although the secretary and the present caretaker permitted me to stay until my departure for Los Angeles. And so it was only the existence of Stacey and her cunt that made me take the keys to an apartment in Washington Heights on the same street as Stacey's, when a friend of mine who was taking a holiday offered to let me use it.

Sometimes, although not very often, a relationship develops between a man and a woman that is rather like between a boy and a girl. In our case, Stacey and I, in addition to the pleasures of the bed, suddenly started vying to confide every imaginable secret to each other, whether sitting in the depths of dark New York bars, or on the grass in Central Part, or in some other park near her apartment whose name I don't remember. She gazed at me, I gazed at her, we kissed, I grabbed her by the legs and twat under her dress, pulled her little mane of yellow hair, suggested going into the bushes with her, and dragged her in when she refused. She gigglingly told me the details of her sex acts with her businessmen, and I told her my own sexual adventures. Sometimes she would get tight and carry on, but a year ago she got tight and cried, so this was better; significant progress had been made.

But I don't want to tell Stacey's and my story, which is why you have only the bare outline of our relations. My story is that of Limonov and the South Bronx. It's about how, because of Stacey, Limonov, dressed in a white suit and white boots and carrying a package containing 21,000 French francs in 500-franc notes and all his documents, both French and American, and airplane tickets to Los Angeles and from Los Angeles to Paris, found himself at two o'clock in the morning in the South Bronx, an area which looked like it had been destroyed by an atomic bomb.

The franc was relentlessly falling, and I, hoping that it would go back up, was exchanging my own francs in small amounts. On the morning of that day I had in my pocket over a hundred dollars. I met Stacey on the corner of Broadway and 57th. She arrived dressed like me in white, in a suit with a tight skirt that emphasized the roundness of her ass — how nice to have a young body in high heels next to you. The failures of this life — and they are numerous on Broadway and 57th Street — stared at me enviously while I scornfully steered my Marilyn Monroe through the throng as if I were accustomed to it; after all, I'm thirty-seven and have the right. The symbol of victory was that sweet-smelling young cunt next to the slightly weary Edward — the symbol of his triumph over the world. All right!

We drank a respectable number of drinks at a piano bar on the East Side called «Sign of the Dove,» and the check was, I recall, a large one. A crowd of businessmen and other gents, each of whom had a hundred or a thousand times as much money as I did — I had in the 21,000 francs my whole capital with me — looked at me with respect as I led the tall, intoxicated Stacey out, her lovely legs getting tangled and an inebriated smile drifting across her face. Their women were no doubt better educated than Stacey was, but much less classy. Stacey, I should mention, knew nothing about art or literature, but on the other hand she had vague green eyes, copper hair, small breasts, a soft ass, each lobe of which extended virtually to her waist in the form of an elongated 0, and youth; she was twenty-three. There were several other young women in the bar, but they were along way from the provocative vulgarity of my Marilyn Monroe.

She was pretty loaded and already starting to get on my nerves. She wanted something to eat. I did, too, and had planned to go nine blocks down Third Avenue to my favorite «P.J.Clark's,» and sit there under the old clock among the lawyers and dentists, the former boxers or former policemen, and the phonies passing themselves off as writers or artists — sit there among all that likeable human slush, familiar and my own, and have dinner. But no, she wanted to eat right away, and not in the ten minutes it would have taken us to get to 55th Street. And so she dragged me into the first place we came to, a disgustingly expensive Italian restaurant tastelessly decorated in glass and filled with a pointless crowd of waiters in tuxedos, but with only a few intimidated provincials sitting at the little tables. It was at that point that I lost control of her for a few minutes, and precisely why a few hours later I turned up in the South Bronx.

I went into the restaurant with her. Even though I'm very strict in my relations with women and usually don't let them push me around, I went, went against my will. A momentary weakness.

She ordered everything she laid eyes on, and half her food went untouched. I've always considered it degrading to put limits on a woman, and it would have been silly to reproach her: the beautiful cunt was drunk; we were «on a spree.» I didn't feel like explaining to her that I didn't have that many dollars left, and that nobody was going to exchange French francs there in the restaurant — especially since in her condition she would hardly have been able to understand the condition of the franc anyway. As it turned out, nothing awful happened: by my calculations I had enough American money, and if I didn't the Italians would have taken the rest in francs — big deal. But to a morbidly proud person like myself, it would have been offensive to call over the maître d' and start apologizing… I thought with distaste that he or somebody else, the manager say, would out of simple masculine envy be glad of the chance to humiliate me a little as the owner of the flourishing cunt. I would have to apologize several times. I was therefore in a fury at the cunt, who at that moment was just taking a sip of Italian wine, which she exchanged from time to time for the double Scotch she had ordered upon flopping down in the chair. I kicked her under the table.

I had enough money. There was even some left over. Three dollars. But I was incredibly pissed off. I was going to pay the money — don't think I'm stingy. I, in fact, spent over a hundred bucks on her that day. What bothered me was the fact that the drunken will of that cunt in the bloom of her years had prevailed over my own. I hate it when other people decide for me where I'm going and what I'm going to do. Yes, like a complete egoist and dominating personality. Some other time when I wasn't so put out, I would have calmly explained to her the situation and its happy resolution; I'm not shy about discussing my financial problems with women. I have been and continue to be proud of the fact that I'm a writer and that I struggle every day to stay alive. But I was really pissed, and when after coming out of the restaurant she ran to stop a taxi, I refused to go with her. And not at all because three dollars was obviously not enough to get to her out-of-the-way place in Washington Heights. No. She had some money — her current businessman was supporting her; I'd seen the hundred-dollar bills and smaller denominations scattered on her night table — but the wave of irritation toward that blondy cunt who had no interest whatsoever in me or my problems overwhelmed me. I said a curt goodby to her on the corner of Lexington and 64th and left.

«Bitch!» I swore out loud. «Fucking parasite!» I, a writer struggling with poverty, am supposed to pay for filling her belly with whatever warm slop she wants. What kind of shit is that? Why shouldn't she pay for it? She makes a lot more with her twat than I do with my typewriter. And probably it isn't always that unpleasant for her. She told me herself that her present businessman-provider, even though he's a simple-minded clod, is nice to her and takes care of her, and is fifty-five and strong and well-built. Why didn't she ask me, the whore, if I had enough money? I would have refused to take any money from her, since I like to pay and I always do, but why couldn't she at least have asked, at least have shown some concern? Why did I have to humiliate myself with mental calculations instead of enjoying my salmon steak as she was doing?

I was about to start east, in the direction of my old boss's brownstone, when it suddenly occurred to me to go to her place, and if I did find somebody else there, and probably there was somebody else in bed with her, I'd… Here my imagination pictured a scene of savage mayhem, a terrific fight, a murder perhaps, ending it all with a vision of me fucking that unruly whore uncomfortably spread-eagled on her comfortable bed. And so, turning my face away from the east, I set off urgently toward the west — to 59th Street and Columbus Circle, in order to take the train to her place. To the bitch's. To satisfy my lust.

That was the first and last time I went to her Washington Heights on the subway. The station was of course stuffy, dirty, repulsive, and dark. It was full of riffraff, mostly black, as well as other human refuse, including the mentally ill, the merely malicious or poor, a certain number who weren't evil but deformed, and many people who were poorly or stupidly dressed, with the result that it seemed to me, someone who had just arrived from Europe after a year away from this typically sinister New York masquerade, that I was surrounded the whole time by a band of monsters. A crowd of monsters.

It was already after one o'clock in the morning, and only an inspired malice mixed with lust, and the keys to the apartment of my vacationing friend in my pocket, made me stand there in that foul-smelling cave and wait for the train. Finally before two it arrived with a Godzilla-like roar. I, having drunk in the course of the evening eleven or twelve Bloody Mary's and several bottles of wine, and perhaps something else in between I don't remember, was, as you can understand, in a somewhat exalted state. I wasn't drunk, but I wasn't thinking clearly — more with my feelings than my mind.

I got off the express about twenty-five minutes later at — yes, 175th Street. But coming out of the piss-stained underground passageway onto the street, I didn't recognize where I was. My girlfriend's building was near the subway station, and even though, as I already said, I had never gone there by subway, I knew the neighborhood more or less. But here it was the wrong one. The wrong landscape, the wrong buildings, the wrong lines, all completely wrong. Much darker and worse.

I raised my head and looked at the street sign. «East 175th Street,» it said. «Ah,» I thought, «East 175th Street; what I need is West 175th. Stacey lives right by the Hudson River and the Washington Bridge, so that means West 175th.» And crossing some large, dark avenue, I set off in the direction where according to my reckoning I would eventually find West 175th.

I had, in my time, lived in New York for five and a half years. I thought I knew everything about the city; I had gone up and down it all on foot. At least, I thought I had. But I was lost.

The next day, when I looked at a map of Greater New York, I saw how stupid and overconfident I'd been. At the level of 175th Street, east and west were miles apart. And, as I now knew, they were miles of destroyed blocks. Miles of abandoned, uninhabited, or barely inhabited buildings, gutted, with broken windows. Ahead, it turned out, lay 1943 Stalingrad. And suspecting nothing, I, a former thief and robber turned writer, a sturdy fellow with a hearty gait, dressed in a white jacket and carrying a package of money and documents, was deep in the war zone.

You can be as «tough» as you like and have a criminal past, or even a criminal present, but to find yourself in a white suit and white boots where I did when I came out of the subway, and an hour later to be lost in the South Bronx — that would hardly fit into your plans. Even with a revolver you wouldn't feel safe in such a place. What good's a revolver when they can just toss bricks at you? And I didn't even have a knife on me. I had that morning, before meeting Stacey, managed to get downtown to the Immigration Service, which is why I had all my documents with me; the French money I simply forgot to take out of the package in my hurry to get to Immigration, since I'd naturally overslept.

A sooty, foul-smelling wind lifted the flaps of my jacket. It wasn't dark, since the moon was out, but the night was a gloomy one, and it was completely deserted, although from time to time a strong gust would suddenly hurl a tattered newspaper or even a Coke can round a corner, or would roll a bottle. I confidently waltzed down what I thought at the time was 175th Street going west. All of a sudden it came to an end, joining another street, which curved up into the darkness, upward and to the left, but alas, it had no number, although it did have a name. I made up my mind to follow it, though what I should have done was go back to the subway and get out of there for my own good. Often we don't understand the significance of our actions until we see the consequences. I had made a choice. The consequences would soon follow.

(To be continued in the next issue)

«Wolkenkratzer Art Journal»
#1, Januar-Februar 1987

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